Landwirte fördern seltenen Wiesenpieper im Vogelschutzgebiet Knüll

Schwalm-Eder – Fällt das Wort „Naturschutz“ so werden seitens der Landwirtschaft oft starke Einschränkungen erwartet. Dabei können bereits einfachste Maßnahmen sehr große Wirkung zeigen und Synergien erzielen, erklärt Franziska Mehlhorn, Geschäftsführerin des Landschaftspflegeverbands Schwalm-Eder e.V. (LPV). Letzteres gelte besonders für Maßnahmen zugunsten von Wiesenvögeln im Vogelschutzgebiet „Knüll“ – insbesondere für den vom Aussterben bedrohten Wiesenpieper.
„Er brütet und jagt am liebsten am Boden feuchter Wiesen“, beschreibt Mehlhorn den unscheinbaren kleinen Wiesenpieper. Möglichst extensiv und mosaikartig genutzte Wiesen und Weiden mit lückiger Vegetation und feuchten, offenen Rohbodenstellen sind es, die der besonders geschützte Vogel braucht. Das baumarme Offenland, in dem er sich wohl fühlt, ist auch für viele andere Wiesenvögel ein geeigneter Lebensraum. Doch solche Brut- und Nahrungsgebiete finden sich in unserer Landschaft immer seltener. In den letzten Jahren hat daher auch der Wiesenpieper einen erheblichen Bestandsrückgang erlebt. Mit weniger als 400 Revieren in ganz Hessen wird er auf der Roten Liste Hessen als „vom Aussterben bedroht“ geführt.
„Im nordhessischen Vogelschutzgebiet „Knüll“ brütet der Wiesenpieper nur noch an ganz wenigen Stellen, umso wichtiger sind hier die richtigen Maßnahmen.“
Christian Gelpke, Ornithologe und Mitglied der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (kurz HGON) im Schwalm-Eder-Kreis, hat sich dem Erhalt des Wiesenpiepers verschrieben. Im Auftrag der Oberen Naturschutzbehörde beim Regierungspräsidium Kassel erfasst er regelmäßig die letzten verbliebenen Reviere und Nester im Knüll. Er weist auf zahlreiche Beeinträchtigungen und Gefährdungen, z. B. durch Flächenversiegelung und -entwässerung, zu frühe Mahd, starke Düngung, aber auch Freizeitnutzung hin. Eine besondere Herausforderung stellt bei dem am Boden brütenden Wiesenpieper die lange Brut- und Aufzuchtphase dar, die sich von April bis in den August erstrecken kann und immer wieder zu Verlusten von Gelegen oder Jungvögeln führt. „Viele Wiesen werden in dieser Zeit gemäht. Manchmal hilft es da schon, den Bereich um ein Nest 2-3 Wochen später zu mähen oder Altgrasbereiche anzulegen“, erklärt Gelpke.
„Bereits einfache Maßnahmen können viel bewirken – zwei Landwirte zeigen wie es gehen kann“
Natürliche Strukturen wie Stauden oder einzelne Sträucher in Säumen braucht der Wiesenpieper, um sein Revier im Blick zu behalten und zu markieren. Sind diese Strukturen in einer intensiv genutzten Landschaft nicht vorhanden, nutzt er auch andere erhöhte Strukturen, wie Weidezaunpfähle.
Zwei Landwirte im Vogelschutzgebiet „Knüll“ haben in diesem Jahr Holzpfähle als Ansitzwarten in Zusammenarbeit mit dem Schwalm-Eder-Kreis, dem RP Kassel, der HGON und dem LPV auf ihren Flächen aufgestellt. Zum Einsatz kommen hierfür Eichen- und Robinienpfähle.
Bei Landwirt Klaus Heiderich in Christerode werden diese alternativen Ansitzwarten für den Wiesenpieper in die bestehende feste Zaunanlage seiner Weide eingebaut. Familie Heiderich betreibt extensive Weidewirtschaft mit Mutterkühen im Vogelschutzgebiet und erhält dadurch geeignete Lebensräume für Arten wie den Wiesenpieper. „Wir sind der letzte Betrieb mit Viehhaltung in unserem Ort“, betont Heiderich. Durch Abweiden des Grases und Viehtritt halten Rinder und Kühe das Grünland offen. Besonders im Bereich der Tränke entstehen dabei zeitweise feuchte, offene Bodenstellen, die viele Wiesenvögel zur Nahrungssuche benötigen. Werden die Rinder auf die nächste Weide umgetrieben, erholt sich die Grasnarbe und nächsten offenen Bodenstellen entstehen auf der neuen Weide.
Landwirt Michael Manz kombiniert verschiedene Maßnahmen auf seinen Flächen bei Hülsa. Neben extensiver Mahd seines Grünlands hat Manz Altgrasbereiche, etwa entlang von Gräben, angelegt und durch Holzpfähle abgegrenzt. Während der Wiesenpieper die Holzpfähle als Ansitz nutzt, dienen Altgrasbereiche als Brutplatz und offener Boden innerhalb der Gräben zur Nahrungssuche. „Die Maßnahmen sind besonders entlang von Gräben oder Gewässern von Vorteil“, erklärt Manz. Dort liegen sie meist auf öffentlichem Eigentum und stellen einen Puffer zum Brutplatz innerhalb des Altgrases dar. Besonders schlecht befahrbare Teilflächen können auf diese Weise wirtschaftlich und zugleich ökologisch sinnvoll genutzt werden. Zukünftig soll außerdem eine wechselseitige Grabenunterhaltung in die Maßnahmenkombination eingebunden werden, die offenen Boden in den Gräben schafft.
„Naturschutz nur gemeinsam mit unseren Landwirten möglich“
„Die Finanzierung der Ansitzwarten zugunsten des Wiesenpiepers kann in bestimmten Bereichen des Vogelschutzgebiets aus Landesmitteln erfolgen“, bestätigen Sigrun Keim (Untere Naturschutzbehörde des Schwalm-Eder-Kreis) und Nico Flügel (Obere Naturschutzbehörde, RP Kassel) als behördliche Ansprechpartner für das Vogelschutzgebiet „Knüll“. Auch im Rahmen der Agrarförderung, z. B. über HALM oder die sogenannten Ökoregelungen, können Landwirte zum Erhalt des Wiesenpiepers beitragen und Fördermittel erhalten. Hier spielen vor allem Grünlandextensivierung sowie die Anlage von mehrjährigen Altgrasbereichen eine bedeutende Rolle. Keim und Flügel sehen großes Potenzial und Synergieeffekte in den unterschiedlichen Maßnahmen. Gemeinsam mit dem Amt für Landwirtschaft, der HGON und dem LPV beraten die Naturschutzbehörden lokale Landwirte zu geeigneten Maßnahmen und Finanzierungsmöglichkeiten. Durch die gute Zusammenarbeit aller Akteure soll der Wiesenpieper im Vogelschutzgebiet „Knüll“ als Brutvogel erhalten bleiben.
Weitere Informationen zum Wiesenpieper finden Sie auf unserer Website unter: www.lpv-schwalm-eder.de