Stellungnahme der Stadt Neukirchen zum Motivwagen der Burschenschaft Neukirchen auf der Babiller Pfingstkirmes

Die Stadt Neukirchen nimmt zu Motivwagen der Burschenschaft Neukirchen auf dem Festzug der Babiller Pfingstkirmes wie folgt Stellung:
- Zum Kontext des Wagens:
Der Festumzug stand in diesem Jahr unter dem Motto „Babiller im Zeichentrickfilm“. Die Gestaltung der einzelnen Wagen erfolgte – wie traditionell üblich – eigenverantwortlich durch die beteiligten Gruppen und Vereine.
Da ich als Bürgermeister selbst Teil des Festzuges gewesen bin, habe ich mir leider erst im Nachgang durch zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung und übermitteltes Fotomaterial ein Bild von dem besagten Wagen der Burschenschaft Neukirchen machen können.
Die Stadt Neukirchen hat seit Bestehen des Festzuges im Vorfeld noch nie einzelne Beiträge der am Festzug teilnehmenden Gruppen und Vereine überprüft. Sofern ich im Vorfeld Kenntnis von der „Gestaltung“ des besagten Wagens der Burschenschaft gehabt hätte, wäre meinerseits unverzüglich eine Untersagung der Teilnahme dieses Wagens erfolgt.
- Nutzung des Bauhofs:
Der Burschenschaft wurde – wie auch in vielen Jahren zuvor – der Festwagenbau auf dem Gelände des städtischen Bauhofs ermöglicht. Dabei ist klarzustellen: Es gab keine personelle Mitwirkung oder Unterstützung durch Mitarbeitende des Bauhofs. Die Flächen wurden der Burschenschaft, wie anderen Gruppen auch, zur Verfügung gestellt, jedoch in eigener Verantwortung genutzt.
- Inhaltliche Bewertung des Wagens:
Der Wagen war deutlich sichtbar mit rassistischen Parolen wie „Alibaba und die 14 Millionen Räuber“ und „Talahon BRD Ausbildungscamp“ versehen. Die Verantwortlichen Personen auf dem Festwagen zeigten sich als „sogenannte Talahons“ und unterstrichen durch ihre martialischen Posen, mit Messer-Attrappen in der Hand und entsprechenden Gesten, die fremdenfeindliche Intention ihrer Teilnahme.
- Rückmeldungen aus der Bürgerschaft:
Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung sind zahlreich, deutlich und erschütternd. Viele Menschen haben sich bei der Stadt gemeldet, um ihren Unmut, ihre Sorge und ihre Forderung nach Konsequenzen zu äußern. Eine besonders eindringliche Stellungnahme bringt das Dilemma sehr klar auf den Punkt:
„Wir schätzen Kultur und Feierlichkeiten vor Ort und als solche auch die Kirmes sehr! Sie ist eine tolle Veranstaltung, die alle zusammenbringen kann. Viele Gruppen und Personen haben sich mit viel Herzblut und Kreativität beteiligt und beim Umzug Freude und Feierlichkeit verbreitet. Deshalb sind wir schockiert, dass sich eine Gruppe – unserer Information nach die Burschenschaft selbst – entschieden hat, auf so einem Fest einen Wagen mit öffentlichen Anfeindungen zu präsentieren …“
Diese und weitere Rückmeldungen zeigen: Der Vorfall hat nicht nur Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund verletzt, sondern auch insgesamt Vertrauen erschüttert – in das Fest, seine Ausrichter und das Miteinander in unserer Stadt.
- Polizeiliche Bewertung:
Die Stadt Neukirchen steht im engen Austausch mit der Polizei. Die rechtliche Einschätzung ergibt derzeit, dass keine strafrechtlichen Tatbestände vorliegen. Dennoch ist klar: Die Darstellung des Wagens war geschmacklos und menschenverachtend. Die moralischen und gesellschaftlichen Grenzen wurden eindeutig verletzt – insbesondere durch die rassistische Symbolik und das sicherheitsgefährdende Verhalten der Beteiligten auf dem Wagen.
- Hinweis an die Burschenschaft im Vorfeld:
Die Stadt Neukirchen hatte die Burschenschaft Neukirchen bereits im Vorfeld mündlich darauf hingewiesen, dass menschenverachtende, diskriminierende oder provokante Inhalte im Rahmen des Festumzugs nicht akzeptiert werden. Dass dieser Hinweis ignoriert wurde, ist enttäuschend und stellt einen massiven Vertrauensbruch in der über jahrzehntelangen und guten Zusammenarbeit zwischen der Stadt Neukirchen und der Burschenschaft dar.
- Konsequenzen und Maßnahmen:
Die Stadt Neukirchen wird aus dem Vorfall folgende konkrete Maßnahmen ableiten:
Einführung eines verbindlichen Maßnahmenkatalogs: Teilnahme am Festzug wird künftig an die Einhaltung klarer inhaltlicher und ethischer Regeln geknüpft.
Vorabmeldung und Sichtungspflicht: Alle Wagen müssen inhaltlich vorab bei der Stadt eingereicht und freigegeben werden.
Verbot von diskriminierenden Inhalten und Pyrotechnik: Der Einsatz von Feuerwerkskörpern auf Fahrzeugen sowie rassistische oder menschenfeindliche Inhalte werden ausdrücklich untersagt.
Überprüfung der Bauhofnutzung: Die Nutzung städtischer Flächen – insbesondere des Bauhofs – wird künftig nur unter Bedingungen und Kontrolle gestattet.
Gespräch mit der Burschenschaft: Die Stadt erwartet eine öffentliche Stellungnahme, kritische Aufarbeitung und ein sichtbares Zeichen für demokratische und menschenfreundliche Werte.
- Unsere Haltung:
Die Stadt Neukirchen steht uneingeschränkt für Demokratie, Offenheit und Menschenwürde. Wir treten mit aller Deutlichkeit jeder Form von Hetze, Ausgrenzung und Gewalt entgegen. Die Babiller Pfingstkirmes soll ein Fest für alle Menschen sein und auch bleiben – ein Ort der Begegnung, des Austauschs und der Freude.
Der diesjährige Vorfall war ein schmerzlicher Einschnitt, aber auch ein klarer Auftrag: Für unsere Werte einzutreten – konsequent, sichtbar und gemeinsam.
Als Bürgermeister erwarte ich von der Burschenschaft, eine Aufarbeitung der Geschehnisse, harte Konsequenzen für die am Wagen beteiligten Personen und ein klares Bekenntnis für unsere demokratischen Werte und gegen Hass und Hetze.
Wir können in Neukirchen stolz auf unsere lebendige Vereinslandschaft sein. Diese zu erhalten, ist Aufgabe von uns allen. Auch die Burschenschaft Neukirchen ist ein bedeutender Akteur für unser gesellschaftliches Miteinander. Umso wichtiger ist es, dass wir Rassismus keine Bühne auf dem Rücken unserer Vereine bieten.
Mit freundlichen Grüßen
Marian Knauff,
Bürgermeister der Stadt Neukirchen